Früher gab es bei uns freitags oft gekochten Fisch, meist Kabeljau, entweder mit zerlassener Butter übergossen, was noch anging, oder aber mit Senfsoße, was ich als Kind abscheulich fand. Ich weiß nicht, was ich zu Sahne-Meerrettichsoße gesagt hätte. Ich meine aber, ich hätte damit schon ein innigeres Verhältnis zu dem Fisch bekommen. Heute sage ich, dass man Kabeljau nicht kochen darf, obwohl solch eine Aussage heute eher akademisch ist. Gibt es doch kaum noch Kabeljau.
Die meisten von uns werden Meerrettich als in ein Gläschen gefüllte weiße, aus geriebenen Teilchen bestehende, feuchte Zubereitung kennen und meist wohl wissen, dass es sich dabei um die Wurzel einer Pflanze handelt, diese selbst aber nicht kennen.
Dem möchte ich hier abhelfen. Denn gesehen hat diese Pflanze schon so mancher. Vielleicht wächst der Meerrettich sogar im eigenen Garten und man kennt ihn als unausrottbar, als eine der Pflanzen, von denen man sagt, dass wenn man das letzte Stückchen Wurzel ausgegraben habe, dann hinge dort ein goldener Ring dran. Das sehr wohl wissend und mit solch einer Erzählung meinend, dass dieses letzte Stückchen Wurzel nie gefunden und entfernt werden kann, was sich jedes Jahr aufs Neue beweist, weil überlall und immer wieder diese großen, leicht gewellten Blätter erscheinen und höhnend verkünden: „Ich bin wieder da“
Wer also solch eine Rettichpflanze in seinem Garten hat und es nicht weiß, der schaue sich dieses Bild an. Das ist er, der Meerrettich.
Armoracia rusticana
Brassicaceae
Die so geschätzte Schärfe und den beißenden Geist bekommt er erst, wenn er gerieben wird, erst dann bilden sich aus dem von der Pflanze produzierten Sinigrin jene Senföle, die wir so sehr schätzen. Nebenbei enthält die Wurzel noch wichtige Vitamine wie Vitamin C, Vitamine B1, B2 und B6 und etliche Metalle in verwertbarer Form. Leidet man nicht gerade an Magengeschwüren oder Schilddrüsenbeschwerden, ist Meerrettich eine rundum gesunde Sache.
Wegen der Frische lohnt es sich sicherlich, solch eine Pflanze im Garten zu haben. Eingedenk der Mühe, die es macht, die Wurzeln zu ernten und der Verbreitung des Meerrettichs dabei Einhalt zu gebieten, und dann des Reibens erscheint der Gang in den Supermarkt und der Erwerb eines Glases mit entsprechendem Inhalt oder einer Tube mit ähnlicher Wirkung immerhin ebenfalls erwägenswert.
Meerrettich ernten ist nun mal nicht „Karl? Lauf mal eben in den Garten und schneid’ ein Bündchen Petersilie“ rufen. Die einen halben Meter langen Blätter lassen sich zwar leicht rupfen, aber die sind es nicht, die wir brauchen. Wir brauchen die Wurzel und das ist mit gezieltem und gekonntem Spatenschwingen verbunden.
Die Blätter könnte man vielleicht benutzen, um Kabeljau darin einzuwickeln und ihn so zu dünsten. Ob es sinnvoll im Sinne eines gesteigerten Genusses ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es einen Versuch wert. Erst mal mit Makrelen vortesten?
Meerrettich hilft auch gegen böse Geister. Zu Neujahr drei Stückchen Meerrettich auf nüchternen Magen schützt das ganze Jahr. Kindern hängte man Ketten aus aufgereihten, getrockneten Meerrettichscheiben um. Die Pharaonen sollen ihren Sklaven Meerrettich ins Essen gegeben haben, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. Selbstverständlich wird Meerrettich auch eine aphrodisische Wirkung zugeschrieben. Kaum der Teufelszunge entronnen reizt einen diese Armoracia rusticana. Wie harmlos ist da doch Rumex acetosa!
Und zum Bier eine Laugensemmel mit Meerrettichsahnequark. Rheinländer nehmen mangels Semmel Schwarzbrot. Von Wildschweinen und Hasen will ich hier und heute nicht reden. Das kommt nach dem Sommer zusammen mit den Preißelbeeren. Preißelbeer-Sahnemeerrettich .....
argee gleim - 7. Jun, 04:11