Die Briefmarke ist ein gar seltenes Gut. Will man solch ein Wunderding erwerben, muss man erst 7 Tore durchschreiten. Diese sind alle bewacht. Die Wächter muss man jeweils überwinden. Ein Tor ist von zwei gar schröcklich und grimmig aussehenden Samurais verteidigt. Hat man diese besiegt, dann gelangt man ein Tor, wo von den Seiten und der Decke unzählige, giftige Schlangen hängen und sich räkeln und zu ebener Erde Hyänen zähnefletschend auf einen warten. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist und keine Flöte dabei hat, kann man gleich kehrt machen.
War man aber so gewitzt und hat auch diese Prüfung bestanden und die Schlangen tanzen lassen und den Hyänen ein grauslich Konzert bereitet, dann empfängt einen an einem sandfarbenen mit Goldbeschlägen versehenen Tor ein mächtiger Löwe, der seine Mähne schüttelt, furchterregend brüllt, den Rachen aufsperrt, seine Zähne zeigt und mit einer mächtigen Tatze mit ausgefahrenen Krallen aus dem steinernen Boden Sand macht. Die Samurais hatte man anfangs überwunden und jetzt verfügt man über deren Stärke und ein Schwert. Und doch hilft hier nur eine List. Mit der in 7 Schichten geschmiedeten Lanze muss man einen noch größeren Löwen in die Luft malen, was die reale Großkatze vor einem den Schwanz einziehen und beiseite gehen lässt. Und an dem vierten Tor steht dann BEAMTENHEIM. Wohl wissend, dass das pure Anmaßung ist, musste ich hier kapitulieren. Mir viel nichts ein, was Aussicht gehabt hätte, mich in die Lage zu versetzen, diese Schwelle zu überschreiten.
Also das war so. Ich hatte was auf der Kosterstraße zu erledigen. Schlenderte dann weiter und überquerte die Charlottenstraße, setzte mich kurz auf eine Bank auf dem Spielplatz an der Stephanienstraße und ging dann weiter zum Worringer Platz, nahm eine Straßenbahn und stand kurz darauf auf dem Konrad Adenauer Platz, dem Platz vor dem Hauptbahnhof. Dort gibt es eine Hauptpost, die Gelegenheit, sich schnell mit ein paar Briefmarken einzudecken. Für Nicht-Düsseldorfer: Von der Klosterstraße zum Hauptbahnhof sind es etwa 1.000 Schritte.
Von 12 Schaltern waren 7 besetzt. Immerhin. Es dauerte auch nicht lang, bis ich an der Reihe war. Doch es kam anders, als ich dachte und es auch hier hunderte Male erfahren hatte. Der bärbeißige Mann am Schalter sagte kurz und unfreundlich: „Hammer nich!“
„Aber am Nachbarschalter gibt es doch welche?“, wagte ich zu äußern.
„Nein, so was haben wir nicht“ – „Da gegenüber am Sondermarkenposten bekommen Sie welche“
Dieser aber war verwaist und man konnte ein Schild lesen, auf dem stand, dass er um 16:30h wieder besetzt sei. Es war 15:56h.
„Gibt es hier irgendwo sonst am Hauptahnhof Briefmarken?“, wollte ich dann doch noch wissen.“
„Nein!“
Auf dem Weg von der Klosterstraße bis zum Worringer Platz wurden mir dreimal Drogen und zweimal Sex von weiblicher und einmal von einem Stricher angeboten, was mich alles wenig interessierte.
Die Jungs und Mädels sollten umsatteln auf Briefmarken. Das ist die gefragte Ware. So verlasse ich den Bahnhofsvorplatz mit der Gewissheit, dass es leichter ist, an Drogen und Sex in beliebiger Menge zu gelangen als an ein paar lumpige Briefmarken.
Beim Verlassen des mächtigen Postgebäudes schaute ich mir dieses noch einmal an und erkannte meinen Irrtum. Die gesamte Hauptpost am Hauptbahnhof, in der ich Jahrzehnte lang meine Briefmarken einkaufte, ist in eine Postbank umgewandelt worden. Da gibt es zwar noch einen Stand, an dem sich Sammler mit Sondermarken versorgen können, wenn er denn mal besetzt ist und eine kleine Ecke, in der man seine Pakete aufgeben kann und Alles, was die Post sonst so an Briefpapier, Umschlägen, Verpackungen etc. anzubieten hat. Der Rest ist Bankschalter.
Die Postfiliale in Wohnungsnähe gibt es nicht mehr. Nun gut, dass meiste erledige auch ich per e-mail. Aber hin und wieder muss und will ich etwas per Brief mitteilen. Das ist nicht so viel, dass sich ein Briefmarkenprinter lohnt und auch nicht so viel, dass ich eine online-Bestellung bei der Deutschen Post mache, zumal das auch nicht gerade einfach sondern mit Hürden, meist Versagen des von der Post eingesetzten Programms, gepflastert ist.
„Schreib mal wieder“ lautet der Werbespruch der Post. Das mach ich jetzt hier - für mein Blog. Das geht ohne Briefmarken.
Wie ich meine Briefe in die Welt schicken kann, weiß ich deshalb aber nicht. Mit der Post, das habe ich gelernt, auf keinen Fall. „Hammer nich“