Hordeum murinum (Hordeum lat = Gerste, murinum lat mus = Maus)
Die Mäusegerste ist ein häufiger Gast in unseren Städten. Man findet sie in Pflasterspalten an Mauern, auf Baumscheiben und an sonstigen zwar nährstoffreichen aber trockenen Standorten, die gleichzeitig warm genug sind.
Städte speichern mit ihrer Stein- Beton- und Asphaltmasse die tagsüber aufgenommene Wärme und sorgen dafür, dass die Wärme sich auch nachts länger hält. Ferner verfügen Steine, Beton und Asphalt keine Temperaturregulierung in Form einer ihnen innewohnenden Kühlung, wie sie bei Pflanzen und Erde alleine schon durch die Verdunstung von Wasser eintritt. Ferner ist der Luftaustausch in Städten meist geringer als in der freien Landschaft. Hieraus resultiert neben anderen hier nicht berücksichtigten Faktoren, dass die Temperatur in Städten in der Regel einige Grade höher liegt als die ihrer ländlichen Umgebung.
Mäusegerste ist somit ein Wärmeanzeiger. Sie kommt heute in Mitteleuropa, Nordamerika und Asien vor, stammt jedoch aus dem Mittelmeerraum.
Sie ist heute in unseren Breiten eine der typischen Pflanzen der Stadtvegetation. Auf einer ländlichen Wiese wird man sie nicht finden. Die städtische Vegetation unterscheidet sich wesentlich von der ländlichen und bildet eigene Vegetationsgesellschaften. Sie enthält sowohl einheimische wie auch manchmal von weit her eingeschleppte Pflanzen (Neophyten). Zu letzteren gehört somit die Mäusegerste, auch wenn sie uns gewöhnlich vorkommt und uns als ‚Unkraut‘ aus fast jeder Ritze entgegen wächst.
Ob sie zu den Ahnen unserer biernotwendigen Gerste zählt, ist mir nicht bekannt. Ich halte dies allerdings für unwahrscheinlich zumal es sich bei unserer angebauten Gerste um Hordeum vulgare handelt, diese botanisch als von Hordeum murinum verschieden behandelt wird. Und da Mäuse meines Wissens weder Bier brauen noch Whisky brennen, werden sie wohl lediglich die Körner aus den mit langen Grannen versehenen Ähren fressen. Die dazu gehörigen Mäuse mögen unsere Städte aber weniger, weshalb sie auf das leckere Mahl wohl verzichten müssen. So ist das manchmal im Leben.
Städtische Pflanzengesellschaften sind außerordentlich artenreich. Bemerkenswert ist, dass sie im Zentrum von Städten weit artenreicher sind als in den Vororten. Diese Verteilung der Artenvielfalt hat wenig mir der Korrelation von dem in Vororten größeren Reinlichkeitsverlangen der Bewohner zur lockereren Bebauung und Vorgartenkultur zu tun. Mäusegerste wie andere Landflüchtlinge bedürfen der permanenten Störung freier Flächen durch den Menschen. Auf Flächen, die sich selbst überlassen sind, siedeln hingegen sehr bald Ruderalpflanzen. Solche Gesellschaften tendieren zur Ausbildung von neuen Climaxvegetationen und gleichen sich im Zeitraum von Jahrzehnten und Jahrhunderten, der allgemein einer Gegend entsprechenden Vegetation an. Hier hätte die Mäusegerste keine Chance.
Man hat festgestellt, dass sich in Großstädten so um die 1.000 verschiedene Pflanzen ansiedeln (statistischer Mittelwert) . Ich vermute, dass die wachsende Zahl der in Städten nistenden Vögel damit zusammenhängt, auch wenn dieses abwechslungsreiche Nahrungsangebot und daraus resultierend auch eine Vielfalt an Insekten und sonstigen, kleineren Vertretern der Fauna nicht der einzige Grund für die Übersiedlung scheuer Waldvögel (Amsel, Ringeltaube u.a.) in die Städte sein wird. Die intensive Nutzung ländlicher Flächen und die Verseuchung der Landschaft mit Pestiziden wird hier eine ebenso große wenn nicht größere Rolle spielen.