Spencer Tunick

Willst Du die Aufmerksamkeit der Medien, dann suhle Dich öffentlich in Nackten und nenne es Kunst und Dich selber Künstler.
Spencer Tunick meinte, ihm sei sehr wohl bewusst gewesen, dass eines seiner Bilder, eine Pyramide mit der Spitze auf die Skulptur einer nackten Frau von Arno Breker zeigte. Leiberberge. Auschwitz?

"Nächste Frage!" Peinlich.

Ich erkläre mir den Spencer Tunick und das, was er macht, mit der traditionellen Prüderie in den USA. Dort eckt Spencer Tunik tatsächlich an und zwar so weit, dass er ein paar Mal wegen solcher Sachen im Knast saß. Der Rest ist blabla.
blogger.de:cut - 7. Aug, 15:35

Soll sich ja überwiegend um Männer in mittleren Jahren gehandelt haben.

knurps - 7. Aug, 15:47

2/3 Männer - 1/3 Frauen. altersmäßig bunt gemischt. Das mag vielleicht soziologisch interessant sein, aber das macht es auch nicht zu Kunst.
Rainersacht - 7. Aug, 19:31

Oh, Mann, alles Vorurteil, oder was? Wie berichtet (www.rainersacht.de) hab ich verpennt, hätte aber sehr gerne mitgemacht. Denn Tunick setzt mit seinen Arbeiten die Tradition der Aktmalerei fort. Dass die Medien stellenweise auf Exhibitionismus und/oder Voyeurismus abhoben, ist der gewohnte Reflex der Niveaulosigkeit.

Soll sich ein Künstler nicht mit den Spuren der Geschichte auseinandersetzen? Darf er nicht?

Und das, was du schreibst, stimmt zum Teil nicht. Tunick hat nie wegen seiner Aktionen im Knast gesessen. Bei zwei Projekten wurde er kurzzeitig verhaftet ... wegen Verkehrsbehinderung. In den USA "eckt" er nicht an, weil er dort fast ausschließlich von Kunstinteressierten wahrgenommen wird. Er "suhlt" sich nicht in Nackten, sondern er benutzt die Haut von Menschen wie Mosaiksteine.

Ich bin enttäuscht von deiner Einschätzung, zumal du dich ausschließlich auf einen Artikel auf heute.de beziehst, der sich wiederum auf eine kurze dpa-Meldung bezieht, die von fast allen Medien benutzt wurde. Lesenswert ist dagegen der Artikel auf RP online, sehenswert die Fotostrecke von Falk Janning.

knurps - 7. Aug, 20:48

Auf Exhibitionismus und Voyeurismus hebe ich nicht ab.
Die Fotostrecke von Falk Janning habe ich gesehen. Das Gewürge, was dazu gechrieben wurde, auch gelesen.
Trotzdem oder deshalb bin ich der Meinung, dass es sich hier um billige Mediennutzung handelt, die nicht zuletzt deshalb funktioniert, weil die Fahne der Kunst rausgehängt wird, was es den Medien wiederum erlaubt, das übliche Kunstgewürge zu produzieren. Blabla.

Ganz, ganz übel fand ich seinen Vergleich mit den Leichenbergen des Nationalsozialismus. Ich glaube, das muss ich nicht weiter erläutern.
Rainersacht - 7. Aug, 21:41

Mit anderen Worten: Du hast ein Problem mit moderner Kunst. Oder?

knurps - 7. Aug, 22:10

Ich habe vor allem Schwierigkeiten, einen Haufen Nackter, der sich freiwillig zur Verfügung stellt, mit den massenhaften Toten, die sich nicht freiwillig vergasen ließen, verglichen zu sehen.

s.a. hier
blogger.de:cut - 8. Aug, 11:17

Kunst oder nicht Kunst. Seis drum. Erinnert mich an Jill Greenberg. Hat bei mir auch ein ungutes Gefühl hinterlassen Hoffentlich werden die Modelle/Nackten wenigstens ordentlich bezahlt.
4711 - 8. Aug, 09:52

arno vs. spencer

ich möchte diese kleine diskussion mit einer einschätzung von helmut börsch - supan bereichern:
"hinter der frage nach den verhältnissen der vergangenheit steht als inneres motiv bedrängend die nach der kultur unserer zeit.
bedrängend ist diese frage, weil ein erneutes überhandnehmen der barberei zu befürchten ist,
die sich sehr gut den anschein von kultur zu geben vesteht, nicht nur als bewußte täuschung,
sondern aufgrund eines verborgenen zusammenhanges."

soweit - so richtig.
im falle eines s.t., der wohlwollend betrachtet, ein schlechter künstler ist, gilt selbstverständlich die bewußte täuschung,
ähnlich dem unerträglichen christo und seiner ollen, aber das ist ein anderes thema.
aber hier greift ein aspekt des verborgenen zusammenhanges:
in einer dem spaß verschriebenen gesellschaft, in der unreflektiertes konsumieren oberste prämisse ist,
genügt der aufruf eines nackedei - plastikers mal was mit substanz zu machen und schon braucht man durch das deckmäntelchen der vergangenheitsbewältigung um 4 uhr morgens nicht mehr so zufrieren.
aber egal - ob mit ob ohne, es war toll.
die künstlerische intention und qualität ist so was von fadenscheinug und dürftig, das diese arbeit mal gerade für`s clubheim des sonnenfreunde taugt.

Rainersacht - 8. Aug, 10:57

Wann immer Kunst Polemiken wie diese erzeugt, lohnt sich die genauere Beschäftigung mit den Motiven der Polemiker. Zu den Polemikern ist in mancher Hinsicht auch der umstrittene Kunsthistoriker Börsch-Supan in seiner Phobie gegen jede aktuelle Kunstausübung zu zählen, die für ihn in den meisten Fällen den Untergang des Abendlands beschleunigt. Sei's drum.

Zur Sache:
Der Ehrenhof in Düsseldorf ist nicht zur so genannten "Nazi-Architektur" zu zählen, sondern ist ein Relikt der Bauten zur Gesolei ("Gesundheit, soziale Fürsorge, Leibesübungen") der Jahre 1925-26, einer Ausstellung zu den genannten Themen. Arno Breker hat die "Aurora" im Alter von 24 Jahren gestaltet, die auf dem Dach des einen Gebäudeflügels liegt. Auch wenn Breker durchweg als Nazi-Künstler apostrophiert wird: Die Statue kann so wenig nationalsozialistisch interpretiert werden wie die Ausstellung "Gesolei". Übrigens war die "Gesolei" in mancher Hinsicht ein Ausgangspunkt für die heutige Form des Körperkults...

Tatsächlich setzt sich Tunick mit ebendiesem Körperkult auseinander. Wenn man die Fotos von der Aktion sieht, die Vielfalt der Körper, die Ernsthaftigkeit der Nackten, dann ist dies das genau Gegenteil vom modernen Körperkult, der nur das Schöne, das Perfekte gelten lässt.
Tunick sortiert nicht aus, er nimmt jeden. Selektion war das Prinzip der Menschenvernichtung durch das faschistische Regime. Demütigen durch das Abschneiden der Haare ein zweites. Nackt zu sein, die Scham zu verlieren, als nackter, toter Körper da zu liegen, war die massivste Form der Vernichtung. Und die Leichenberge der Ausdruck der maximalen Abwerung menschlicher Körper. Tunicks Arrangements sind das genaue Gegenteil davon.
blogger.de:cut - 8. Aug, 10:58

Das Fazit in Deutschlandradio Kultur finde ich auch sehr passend: "Für die Kunst haben die Massen im Düsseldorfer Ehrenhof ihre Haut vergeblich zu Markt getragen."
knurps - 8. Aug, 12:49

@ 4711 Ganz richtig. Die Intention des Fotografen und die Motive der Mitmacher haben nichts mit einander zu tun.

@ Rainer Die Gesolei ist hier sehr wohl bekannt.
Hier gibt es auch keinen Untergang des Abendlandes. Dazu ist die Sache zu geringfügig. Eben. Blabla.
Freiwillig Nackte auf einem Foto von heute mit den Leichenbergen der Nazis verglichen zu sehen, ist und bleibt eine in diesem Fall dumme, effekthascherische aber deshalb nicht weniger schlimme Geschichte. Der Vergleich wurde von Tunick gemacht und ist nicht Produkt der Interpretation.
Rainersacht - 8. Aug, 14:59

Sorry: Der Untergangsprophet ist Börsch-Supan, weder du, noch 4711.
Den Vergleich zu den Leichenbergen hat nicht Tunick gesucht; ihm wurde vom dpa-Reporter (auf dessen Notiz fast alle Medienberichte fußen...) die Frage gestellt, ob er sich dieser Parallele bewusst wäre, was er bejaht hat.

Mittlerweile sehe ich in der Diskussion zur Tunick-Aktion ein weiteres Beispiel von gelenkter Wahrnehmung durch selektive Medienberichterstattung.

Aber das kann's jetzt aus meiner Sicht auch gewesen. Konsens scheint ausgeschlossen.

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