Freitag, 18. August 2006

Steinbrück

Ein Plädoyer

Jetzt wird Steinbrück verteufelt. Dabei ist was dran an dem, was er meint. Er hat allerdings den Fehler gemacht, die Aufforderung, Geld für die Altersversorgung auf die hohe Kante zu legen, an einer bestimmten Sache festzumachen. Hätte er allgemein darauf aufmerksam gemacht, dass die Lebensqualität nicht mehr die sein kann, die wir bisher genossen haben bzw. die uns von den bisherigen Regierungen als gegeben vorgegaukelt wurde und gerne noch heute vorgegaukelt wird. Der Staat, also die Summe unserer Steuern aus unserem Einkommen auch zu Lasten der Wirtschaft an alle verteilt nicht mehr reicht, neben allen anderen Aufgaben einschl. Schulden- und Zinstilgung, eine Altersversorgung zu tragen. Das bedeutet natürlich, dass unsere Zahlungen für die Altersversorgung eingestellt oder zumindest reduziert werden. Wir sind am Ende. Der Staat ist streng genommen pleite. Keine verantwortlicher Politiker sagt das in aller Deutlichkeit und Ausweglosigkeit.

Der Bund der Steuerzahler beziffert die Staatsverschuldung auf 1.520 Milliarden Euro, einen Schuldenzuwachs von 2.113 Euro pro Sekunde und eine Verschuldung pro Person in Höhe von 18.415 Euro. Das sind fast 70% des Bruttoinlandsprodukts.

Die FDP zitiert den Sachvertsändigenrat der Deutschen Bundesbank. Danach lag die implizite Verschuldung 2002 bei 270 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - 5700 Mrd. Euro. Entsprechend lag die Gesamtverschuldung Deutschlands bereits damals bei mehr als 330 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 7 Billionen Euro. Das bedeutet eben, dass Deutschland streng genommen pleite ist.

Wenn wir uns das vor Auge halten, und das sollten wir, dann packen wir einfach an, feuern die Großzahl unserer verlogenen Politiker und arbeiten daran, das Land wieder auf die Beine zu stellen. Wo ist das Problem? Steinbrück könnte zu denen gehören, die wir nicht feuern. Dann Schulen bauen (im erweiterten Sinn) und Universitäten öffnen, meint z.B. Studiengebühren streichen und, und, und. Wer kann, fördert sinnvolle Unternehmungen und ein Bewusstsein von Zusammengehörigkeit und Aufbau gewinnt Gestalt, das Leben macht wieder Spaß.

Oh Schreck, gerade sehe ich das Gesicht Schäubles formatfüllend in den TV-Nachrichten. So was gehört natürlich zuerst gefeuert.

Fliegenpilz

Amanita muscaria

Fliegenpilz

Der Fliegenpilz ist ein Giftpilz mit einem roten Hut und weißen Tupfen. Er wächst in Mitteleuropa und Asien bis nach Sibirien, dort allerdings nur selten. Seine Verwendung als Rauschmittel ist schon lange bekannt. So war der Pilz in Sibirien vor der Einführung des Alkohols ein Zahlungsmittel für Rentiere.

Er steht mit Vorliebe unter Nadelbäumen, aber er lebt auch häufig in Symbiose mit der Birke. (> Mykorrhiza) Er ist auf diese Bäume angewiesen. Wo diese fehlen, gibt es keinen Fliegenpilz. Infolge des allgemeinen Nährstoffanstiegs in den Wäldern ist das Vorkommen rückläufig. (Das Bild da oben habe ich in Finnland gemacht. Dort war er noch häufig)

Der Fliegenpilz ist Symbol der Freude, ein Glückspilz also, was eine Anspielung auf seine psychotropen Effekte ist.

Im Mittelalter waren Fliegen ein Symbol für Wahnsinn. Dieser Glaube findet sich im gesamten nördlichen Eurasien. Eine populäre Bezeichnung für den Fliegenpilz ist daher auch "Narrenschwamm".

Wahrscheinlich ist die Mythifizierung des Pilzes eine Reaktion auf das Verbot des Fliegenpilzgenusses.

Der Fliegenpilz wurde, so nimmt man an, bereits weit vor unserer Zeitrechnung – einige sprechen von 2000 vor Chr. Geb. - nicht nur in den nordischen Ländern der Erde sondern auch in Indien und im südamerikanischen Hochland als Droge verwendet.

In der Edda, der Erzählung der nordischen Mythologien, wird der Pilz als Rabenbrot bezeichnet. Der Name ‘Rabenbrot’ deutet auf die beiden allwissenden und Alles sehenden Raben Wotans hin, die einerseits den Verstand und die Weisheit verkörpern, andererseits das Gemüt und die Sinne. Beide Raben symbolisieren zugleich den Tod, indem sie sich nach einer Schlacht auf die Leichen der gefallenen Krieger stürzen. Bis in die heutige Zeit gilt der Rabe auch als ‘Unglücksbringer’, als ein den Tod ankündigender Vogel.

Auch in der keltischen Mythologie wird er als Teufelsei oder Hexenei besungen.

Das Deutschland des Mittelalters sah in den Fliegen das Symbol für Wahnsinn. Besessene waren von Fliegen befallen und der Teufel galt als deren Herr. Der deutsche Name ‘Fliegenpilz’ leitet sich höchstwahrscheinlich von der Fliege als Zaubertier und / oder der Kraft des Pilzes, den Menschen ‘fliegen zu lassen ‘ ab. Es gilt weiterhin als sicher , daß in den mittelalterlichen Hexenkulten der Pilz als Rudiment germanischer Kulte Verwendung gefunden hat. Die Hexenverfolgungen und -prozesse müssen auch unter dem Aspekt betrachtet werden, daß diese Elemente einer heidnischen Kultur, die nun als ‘Teufelswerk’ galten, vernichtet werden sollten.

Eine andere Art von Verdrängung geschah in der Umdeutung heidnisch-germanischer Dichtung ins Christliche, die sich im Laufe der Zeit vollzog. Da ist die katholische Kirche seit jeher besonders ideenreich. Was sie nicht ausmerzen konnte, wurde umgedeutet. So der Weihnachtbaum, das Grün als Symbol des Lebens, die Kerze als Beschwörung des Lichts, der Osterhase als Fruchtbarkeitssymbol und eben der Fliegenpilz, der Glückspilz, den wir heute noch in verniedlichter Form auf den Adventskränzen wiederfinden.

Regelmäßig als Rauschdroge werden Fliegenpilze heute nur noch in Sibirien genommen. Der Brauch wird immer seltener, da ihn die Regierung für unerwünscht hält und bekämpft. Wahrscheinlich noch wirksamer als die Gegenpropaganda ist der Ersatz durch Wodka. Dies ist jedoch wohl als zweifelhafter Erfolg des Verbotes zu werten.

Haben die Christen den Genuss des Pilzes noch verboten, so sagt uns, dem aufgeklärten Erdbewohner, die Vernunft, dass der Genuss solch zerstörerischer Psycho-Pilze wenig sinnvoll ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Anteil der giftigen und psychedelisch wirkenden Substanzen innerhalb des Pilzes je nach Herkunft, Standort und Witterungsbedingungen sehr unterschiedlich sein kann. Die Dosierung wäre somit reine Glückssache. Der Glückspilz kann uns leicht zu einem rasenden Berserker machen, ein Zurückgeworfensein in eine Vorstellungswelt weit vor dem ‚dunklen‘ Mittelalter.

Chaenomeles superba

Scheinquitte

Sieht lecker aus so eine Scheinquitte. Und wie sie duftet! Mh! Hinterlistig ist es, diese hübschen, lecker duftenden Früchte in die Schale mit dem übrigen Obst zu legen und sie anzubieten.

Es wird kaum jemandem gelingen, ein Stück aus der Frucht zu beißen, da das Fruchtfleisch viel zu hart ist, aber es reicht, einen Schrei des Entsetzens erleben zu können, denn die Dinger sind so sauer, dass eine Zitrone einem dagegen süß wie eine reife Erdbeere erscheint.

Einen feinen Gelee kann man daraus machen. Pures Aroma.

hitleri und bushi

Bei ‚hitleri‘ und ‚bushi‘ handelt es sich um die wissenschaftlichen Speziesbezeichnungen zweier Käfer. Besonders ‚hitleri‘ hat es den Sammlern angetan, obwohl er ein recht gewöhnlicher brauner und sogar blinder Höhlenkäfer ist. Der Moment, der den vor allem in Slovenien vorkommenden Käfer so begehrt macht, dass bis zu 1.000 Euro für ein Exemplar bezahlt werden, ist eben diese seine Benennung, Anophtalmus hitleri, umgangssprachlich Hitlerkäfer genannt.
In den USA wurde erst kürzlich ein Schleimpilz fressender Schwammkugelkäfer Agathidium bushi benannt, was aber nicht zu einem Run der Sammler auf den Bushkäfer geführt hat.

‚Schleimpilz fressender Schwammkugelkäfer‘ gefällt mir.

Irgendwo bröckelt es immer

Broeckel

Klosterstraße/Worringer Platz – Düsseldorf-Mitte

Dann kommt das Grün und erobert Wände und Mauerkronen

Sich verlieben ist ein Stressanfall
und Gott ist ein Produkt mentaler Insuffizienz

Bei der Unterschiedlichkeit der Einzelnen ist die Gleichheit oder Ähnlichkeit von Wahrnehmung erstaunlich. Von Interesse ist aber die Unterschiedlichkeit. Farbe.

Was Grass betrifft, verstehe ich den Stellenwert nicht, der dem Mann eingeräumt wird. Hat er das Dasein von uns derart beeinflusst, dass wir ihn für uns verantwortlich machen können? Es ist wohl eher eine Projektion unseres Gefühls von Unzulänglichkeit, die sich auf ein Opfer wie ein Fressen stürzt. Da präsentiert sich eine völlig alberne Erscheinungsweise unserer irren und als virtuell zu verstehenden Welt. Wer oder was steuert da unsere Wahrnehmung? Der Fall Grass ist unbedeutend.

Die Berliner Allee als Fortschritt

Berliner-Allee

Die Berliner Allee, um deren Benennung es längere Auseinandersetzungen gegeben hatte, wurde am 23. September 1960 durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, feierlich eingeweiht. Vollständig ausgebaut wurde sie bis etwa 1965.

Für mich war es damals die Straße des Fortschritts. Fortschritt war eine unbefragte Vokabel, kein Glaube sondern eine Gewissheit, und führte lachend über den "Wiederaufbau" hinaus. Die Berliner Allee war alles Andere als Wiederaufbau, es war die genutzte Chance, welche die Zerstörung ermöglichte, ein Durchbruch im Allgemeinen wie auch durch die Schuttberge, ohne sich an vorherige Straßenzüge zu erinnern. Der Fortschrittsglaube war außerordentlich und fest verankert. Er formulierte sich u.a. folgendermaßen:

Die Weltbevölkerung wird im Jahre 1984 um weitere 40% auf 4,3 Milliarden gestiegen sein, vorausgesetzt, daß bis dahin nicht ein dritter Weltkrieg stattgefunden hat. Mit 80 bis 85% Wahrscheinlichkeit wird er nicht stattfinden, vorausgesetzt, die gegenwärtige Entwicklung hält an; geeignete politische Maßnahmen könnten die Wahrscheinlichkeit seines Ausbleibens auf 95% steigern.
Im Jahre 2000 wird die Weltbevölkerung etwa 5,1 Milliarden Menschen (65% mehr als im Jahre 1963) betragen. Ihre Ernährung kann durch Erschließung neuer Nahrungsquellen mittels umfangreicher Meereskulturen und Herstellung synthetischer Proteine gesichert scheinen. Kontrollierte thermo-nukleare Energie steht zur Verfügung. Die Automation hat weitere Fortschritte gemacht; sie reicht von Dienstbotenarbeit bis zu hochintelligenten Maschinen. Aus der automatisierten Kommunikation entwickelt sich eine universelle Sprache. Auf dem Mond entstehen Bergbau und Treibstoffproduktion.
Um das Jahr 2100 wird die Weltbevölkerung die Zahl von 8 Milliarden erreicht haben. Chemische Beeinflussung des Alterungsprozesses kann die Lebenserwartung auf über 100 Jahre ansteigen lassen. Wachstum neuer Glieder und Organe durch biochemische Stimulation ist nicht auszuschließen. Eine Möglichkeit zur Steigerung der menschlichen Intelligenz kann in der Mensch-Maschne-Symbiose, der direkten Koppelung des Gehirns mit einem Computer, bestehen. Haushalts-Roboter, Fernproduktion von Zeitungen und Magazinen, vollautomatischer Transport über Fernstraßen sind einige weitere Aspekte .....*


Heute wird die Berliner Allee trotz fortwährender Renovierung eher als Bausünde wahrgenommen. Was seinerzeit als Fortschritt gesehen wurde und heute eher als Albtraum gilt oder was von den Prognosen eingetreten ist bzw. übertroffen wurde, sieht man heute bestenfalls wissend lächelnd.

*Tamms, Friedrich: Düsseldorf- ja, das ist unsere Stadt , Düsseldorf, Wien 1966.

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