Disziplin und Ordnung

Ich erinnere mich an unseren Lateinlehrer, wie er, kaum hatte er seine Tasche auf das Katheder gelegt und die Begrüßungsformel gesprochen war, lauthals das Wort „disciplina!“ fordernd in den Raum warf. Soll er doch, dieser Steißtrommler mit seiner Juristen- und Verwaltungssprache, deren Lektüre uns vermittelte, wie man das lose Leben der verweichlichten, obszönen römischen Gesellschaft geißelte um dann letztendlich Kriege zu verherrlichen.

Ohne Ordnung geht es nicht. Nehmen wir einen Baum. Ohne innere, die ihm eigene Ordnung existierte er nicht. Er existiert auch nur dort, wo die äußeren Bedingungen es ihm erlauben. Jeder Grashalm hat seine Ordnung. Aber weder Bäume noch Grashalme sind darauf angewiesen, dass ein Pofalla aus Weeze oder ein Müllermeister Glos aus Brünnau ihnen Verhaltensregeln auferlegt oder ein Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler aus Freiburg namens Schäuble ihnen Fesseln anlegt und bestimmt, wie sie wo zu wachsen haben.

Bueb nennt Disziplin und Ordnung Sekundärtugenden, ohne welche es nicht zur Persönlichkeitsbildung und nicht zu Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrheit (!) komme. Er fügt dem sogar den Gehorsam hinzu. Das erinnert mich zu sehr an meinen Vater, der noch dem wilhelminischen Kaiserreich entsprungen war.

Unstreitig ist es so, dass, will jemand das Spielen eines Instruments erlernen, dem Wesen des Instruments gemäß diszipliniert üben muss, bevor er das Instrument soweit beherrscht, dass er dem Wesen des gewählten Instruments entsprechend diesem Musik entlocken kann, deren Wesenhaftigkeit interpretierend sein Wesen hinzufügt. Wenn jemand will ... Das ist der Punkt. Ich will zum Beispiel möglichst gut und friedlich mit meinen Nachbarn auskommen. Also werde ich nicht nachts um halb Drei Hallen füllend laut, so wie es sich für diese Musik gehört, Elektra von Strauss hören, so sehr mir danach sein mag. Das braucht mir weder ein Herr Pofalla, noch ein Herr Glos und schon gar kein Schäuble zu befehlen. Ich fahre auch nicht den alten Herrn über den Haufen, nur weil er sich noch für ein paar schlurfende Schritte auf der Fahrbahn befindet, weil er es während der Grünphase der Fußgängerampel nicht ganz geschafft hat.

Harmonie entsteht nicht per Nivellierung sondern per Übereinkunft. Andere Töne bilden andere Harmonien. Töne stehen immer auch für sich. Ein Ton reist so lange durch die Galaxis, bis er einen anderen oder andere findet, mit dem oder denen er es kann.

Das Einklagen obiger Sekundärordnungen dient weniger dem gedeihlichen Dasein in einer Gemeinschaft sondern ist viel mehr Ausdruck eines Herrschen Wollens. Reine Eitelkeit. Da liegt der Hase im Pfeffer.

Ein eitler Pfau darf sich spreizen. Wir werden ihn sogar bewundern, weil er diesen imposanten Fächer aus Schwanzfedern aufzuweisen hat und damit umzugehen weiß und wir lassen uns gerne von dem Farbenspiel der Federn betören. Wo aber haben diese Herren solchen Schmuck aufzuweisen? Keiner von uns muss nach deren Pfeife tanzen. Er kann und darf es, wenn er will. Aber wer will schon so ein Narrenbalzen mitmachen? Die Namen solcher eitlen Narren wie Pofalla, Glos und Schäuble sind beliebig gewählt und beliebig austauschbar. Vielleicht zählt Jemand auch mich dazu. So lang ich es nicht weiß, macht es mich nicht heiß. Und wenn ich es weiß, habe ich eben Pech gehabt. Ich muss mir das trotzdem nicht anziehen, so lange ich niemanden diszipliniere und Niemandem meine Ordnung überstülpe.

Mein eitler Narr tanzt sicher gerade woanders. Oder gerade hier?

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