Wo man so hintritt
Es gibt Pflanzen, auf denen kann man herumtrampeln, und es macht ihnen so gut wie nichts aus. Sie haben sich darauf eingerichtet. Das haben sie mit der Regierung unter Frau Merkel gemeinsam. Aber um Merkel & Co geht es hier nicht.
Bruchkraut
Herniaria glabra
Wenn wir uns zu Fuß in der Stadt bewegen, fühlen wir meist festes Pflaster unter unseren Schuhen. Doch hin und wieder treten wir bewusst oder unbewusst auch auf jene Pflanzen, die zwischen den Ritzen von Steinplatten oder Fugen am Rand eines Bürgersteigs oder auch üppiger am Rand eines Schotterweges oder Trampelpfades wachsen.
Das ist so und das ist auch nicht beunruhigend. Schauten wir interessiert hin, würden wir feststellen, dass es sich in der Mehrzahl um die immer gleichen Pflanzen handelt. Hier wachsen Pflanzen, die es aushalten, dass man auf ihnen rumtrampelt. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass diese Pflanzen, abgesehen davon, dass nur wenige Pflanzen geeignet sind, sich mit so geringem Lebensraum wie Spalten und Ritzen sie nun mal darstellen, zu begnügen, ohne dass auf ihnen rumgetrampelt wird, nicht diesen speziellen Lebensraum besiedeln könnten. Gemeint ist, dass sie dort nur deshalb existieren, weil andere Pflanzen, die sich ebenfalls mit einem Spalt, einer Ritze oder Fuge begnügten aber eine höhere Vitalität aufweisen, das auf ihnen Rumtrampeln nicht vertragen, dort eben nicht gedeihen können. Hier kommen also Genügsamkeit und das Ertragen häufiger Störung zusammen. Im Zuge des gnadenlosen Kampfes um die Existenz hilft Ihnen dieser Umstand jene Lücke zu finden, die ihnen und eben nicht den anderen das Überleben ermöglicht.
Da der Mensch und die Wissenschaft, hier die Pflanzensoziologie, gerne erkennbare Zusammenhänge und Phänomene benennen, hat auch diese Gesellschaft einen Namen bekommen: Trittpflanzen-Gesellschaft. Man spricht auch bei der Waldwegvegetation, die sich im Trittbereich der Spaziergänger oder Waldarbeiter oder auf und neben Wildwechseln etc. befindet, von Trittpflanzen. Je nach äußeren Bedingungen (Licht, Bodenbeschaffenheit, Feuchtigkeit) entwickeln sich unterschiedliche Trittpflanzen-Gesellschaften, die jeweils typisch für bestimmte Umweltbedingungen sind.
Sie werden nach ihrer Leitpflanze an erster Stelle und typischen Begleitpflanzen in der Folge benannt. So unterscheidet man z.B. in der Eifel vorzugsweise diese 5 Vogelknöterich-Trittgesellschaften:
1. Vogelknöterich-Trittgesellschaften (Polygonion avicularis Br.-Bl. ex Aich 33)
a. Mastkraut-Trittgesellschaft (Bryo-Saginetum procumbentis Diem., Siss.
et Westh. 40 n. inv. Oberd.)
b. Lolch-Vogelknöterich- Trittgesellschaft (Lolio-Polygonetum arenastri Br.-
Bl. 30 em. Lohm. 75)
c. Trittgesellschaft der Zarten Binse (Juncetum tenuis Diem., Siss. et Westh. 40) Schwick. 44)
d. Trittgesellschaft des Einjährigen Rispengrases (Poa annua-
Gesellschaft)
e. Wegerich-Brunellen-Gesellschaften (Prunella vulgaris-Plantago major-
Gesellschaften)
Wen es interessiert, kann hier und hier einen kleinen Einblick in die Methodik der Feldarbeit einer Gruppe von Pflanzensoziologen gewinnen.
Vogelknöterich, der Breitblättrige Wegerich, verschiedene Gräser und etliche mehr sind typische Pflanzen der bei uns vorkommenden Trittpflanzengesellschaften.
Hier in Düsseldorf ist mir in diesem Zusammenhang eine Pflanze aufgefallen, die so unscheinbar ist, dass man sie kaum wahrnimmt. Man spürt sie nicht, es knirscht nicht, wenn man auf sie tritt und sie liegt dem Boden dermaßen flach auf, wie ich es von kaum von einer anderen Pflanze unserer Breitengrade kenne.
Zuerst bereitete es mir Schwierigkeiten, sie zu bestimmen, zumal sie derart fein gegliedert ist, dass ohne Lupe nicht allzu viel zu erkennen ist. Die mastigen, wasserspeichernden Zweiglein und das äußerst sparsame Vorkommen von winzigen, wasserhaltenden Blättern weist auf eine Anpassung an Trockenheit hin und ließ mich zuerst annehmen, dass dies eine Fette Henne (ein Sedum) sein müsse.
Sedum rubrotinctum
Die äußerst zahlreichen, mehr als Knöllchen denn als Pracht vorkommenden Knospen und Blüten, welche die ganze Pflanze dicht bedecken, und die in Sektionen gegliederten Zweige jedoch ließen diese Einordnung nicht zu.
Ich bin auf die richtige Einordnung gestoßen, als ich ein Kompendium über Arzneipfllanzen aufschlug. Es handelt sich um das Bruchkraut. Dies ist eine seit alters her bekannte und in der Volksmedizin geläufige Pflanze. Der botanische Name lautet Herniaria glabra. (herniaria von lat. hernia = Bruch, glabra = glatt, kahl, ohne Haare) Sie wurde in der Volksmedizin gegen Bruch angewendet. Daher der Name.
Für meine erste Fehldiagnose wurde ich mehr als entschädigt, als ich feststellte, dass etwa 80% der Veröffentlichungen sie zu den Cariophyllaceen (Nelkengewächse) zählen, während sie richtiger Weise den Illecebraceae (Knorpelkrautgewächsen), die allerdings wohl eine enge Verwandtschaft zu den Cariophyllaceae aufweisen, zuzurechnen sind. Die Familie ist nach Illecebrum (Knorpelblume), einer der Herniaria ähnlichen, hier (in Düsseldorf und Umgebung) jedoch nicht vorkommenden Pflanze benannt.
Dies sei ein Beispiel dafür, dass nicht eine mehrfach beschriebene Pflanze nachträglich nach der ersten gültigen Beschreibung umbenannt wurde, sondern die Wissenschaft eine neue Familie einführt, welche von einer lange bestehenden abgetrennt wurde. Neuere Erkenntnisse müssen dazu geführt haben, hier enger zu differenzieren.
Außerhalb der Stadt kommt Herniaria verstreut auf Triften, Heiden und sandigen Böden vor.
Wer sich für die medizinische Anwendung und die Inhaltsstoffe interessiert, kann hier nachsehen. A propos Sehen. In den Momenten größerer Muße beim übers Pflaster schreiten und wenn man den Anblick geradeaus, zur Seite und nach oben nicht so reizvoll findet, Herniaria findet man häufig. Da unten vor und unter den Füßen.
Bruchkraut
Herniaria glabra
Wenn wir uns zu Fuß in der Stadt bewegen, fühlen wir meist festes Pflaster unter unseren Schuhen. Doch hin und wieder treten wir bewusst oder unbewusst auch auf jene Pflanzen, die zwischen den Ritzen von Steinplatten oder Fugen am Rand eines Bürgersteigs oder auch üppiger am Rand eines Schotterweges oder Trampelpfades wachsen.
Das ist so und das ist auch nicht beunruhigend. Schauten wir interessiert hin, würden wir feststellen, dass es sich in der Mehrzahl um die immer gleichen Pflanzen handelt. Hier wachsen Pflanzen, die es aushalten, dass man auf ihnen rumtrampelt. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass diese Pflanzen, abgesehen davon, dass nur wenige Pflanzen geeignet sind, sich mit so geringem Lebensraum wie Spalten und Ritzen sie nun mal darstellen, zu begnügen, ohne dass auf ihnen rumgetrampelt wird, nicht diesen speziellen Lebensraum besiedeln könnten. Gemeint ist, dass sie dort nur deshalb existieren, weil andere Pflanzen, die sich ebenfalls mit einem Spalt, einer Ritze oder Fuge begnügten aber eine höhere Vitalität aufweisen, das auf ihnen Rumtrampeln nicht vertragen, dort eben nicht gedeihen können. Hier kommen also Genügsamkeit und das Ertragen häufiger Störung zusammen. Im Zuge des gnadenlosen Kampfes um die Existenz hilft Ihnen dieser Umstand jene Lücke zu finden, die ihnen und eben nicht den anderen das Überleben ermöglicht.
Da der Mensch und die Wissenschaft, hier die Pflanzensoziologie, gerne erkennbare Zusammenhänge und Phänomene benennen, hat auch diese Gesellschaft einen Namen bekommen: Trittpflanzen-Gesellschaft. Man spricht auch bei der Waldwegvegetation, die sich im Trittbereich der Spaziergänger oder Waldarbeiter oder auf und neben Wildwechseln etc. befindet, von Trittpflanzen. Je nach äußeren Bedingungen (Licht, Bodenbeschaffenheit, Feuchtigkeit) entwickeln sich unterschiedliche Trittpflanzen-Gesellschaften, die jeweils typisch für bestimmte Umweltbedingungen sind.
Sie werden nach ihrer Leitpflanze an erster Stelle und typischen Begleitpflanzen in der Folge benannt. So unterscheidet man z.B. in der Eifel vorzugsweise diese 5 Vogelknöterich-Trittgesellschaften:
1. Vogelknöterich-Trittgesellschaften (Polygonion avicularis Br.-Bl. ex Aich 33)
a. Mastkraut-Trittgesellschaft (Bryo-Saginetum procumbentis Diem., Siss.
et Westh. 40 n. inv. Oberd.)
b. Lolch-Vogelknöterich- Trittgesellschaft (Lolio-Polygonetum arenastri Br.-
Bl. 30 em. Lohm. 75)
c. Trittgesellschaft der Zarten Binse (Juncetum tenuis Diem., Siss. et Westh. 40) Schwick. 44)
d. Trittgesellschaft des Einjährigen Rispengrases (Poa annua-
Gesellschaft)
e. Wegerich-Brunellen-Gesellschaften (Prunella vulgaris-Plantago major-
Gesellschaften)
Wen es interessiert, kann hier und hier einen kleinen Einblick in die Methodik der Feldarbeit einer Gruppe von Pflanzensoziologen gewinnen.
Vogelknöterich, der Breitblättrige Wegerich, verschiedene Gräser und etliche mehr sind typische Pflanzen der bei uns vorkommenden Trittpflanzengesellschaften.
Hier in Düsseldorf ist mir in diesem Zusammenhang eine Pflanze aufgefallen, die so unscheinbar ist, dass man sie kaum wahrnimmt. Man spürt sie nicht, es knirscht nicht, wenn man auf sie tritt und sie liegt dem Boden dermaßen flach auf, wie ich es von kaum von einer anderen Pflanze unserer Breitengrade kenne.
Zuerst bereitete es mir Schwierigkeiten, sie zu bestimmen, zumal sie derart fein gegliedert ist, dass ohne Lupe nicht allzu viel zu erkennen ist. Die mastigen, wasserspeichernden Zweiglein und das äußerst sparsame Vorkommen von winzigen, wasserhaltenden Blättern weist auf eine Anpassung an Trockenheit hin und ließ mich zuerst annehmen, dass dies eine Fette Henne (ein Sedum) sein müsse.
Sedum rubrotinctum
Die äußerst zahlreichen, mehr als Knöllchen denn als Pracht vorkommenden Knospen und Blüten, welche die ganze Pflanze dicht bedecken, und die in Sektionen gegliederten Zweige jedoch ließen diese Einordnung nicht zu.
Ich bin auf die richtige Einordnung gestoßen, als ich ein Kompendium über Arzneipfllanzen aufschlug. Es handelt sich um das Bruchkraut. Dies ist eine seit alters her bekannte und in der Volksmedizin geläufige Pflanze. Der botanische Name lautet Herniaria glabra. (herniaria von lat. hernia = Bruch, glabra = glatt, kahl, ohne Haare) Sie wurde in der Volksmedizin gegen Bruch angewendet. Daher der Name.
Für meine erste Fehldiagnose wurde ich mehr als entschädigt, als ich feststellte, dass etwa 80% der Veröffentlichungen sie zu den Cariophyllaceen (Nelkengewächse) zählen, während sie richtiger Weise den Illecebraceae (Knorpelkrautgewächsen), die allerdings wohl eine enge Verwandtschaft zu den Cariophyllaceae aufweisen, zuzurechnen sind. Die Familie ist nach Illecebrum (Knorpelblume), einer der Herniaria ähnlichen, hier (in Düsseldorf und Umgebung) jedoch nicht vorkommenden Pflanze benannt.
Dies sei ein Beispiel dafür, dass nicht eine mehrfach beschriebene Pflanze nachträglich nach der ersten gültigen Beschreibung umbenannt wurde, sondern die Wissenschaft eine neue Familie einführt, welche von einer lange bestehenden abgetrennt wurde. Neuere Erkenntnisse müssen dazu geführt haben, hier enger zu differenzieren.
Außerhalb der Stadt kommt Herniaria verstreut auf Triften, Heiden und sandigen Böden vor.
Wer sich für die medizinische Anwendung und die Inhaltsstoffe interessiert, kann hier nachsehen. A propos Sehen. In den Momenten größerer Muße beim übers Pflaster schreiten und wenn man den Anblick geradeaus, zur Seite und nach oben nicht so reizvoll findet, Herniaria findet man häufig. Da unten vor und unter den Füßen.
knurps - 17. Jul, 06:27
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