Tiziano
Carl Mostertsplatz – Düsseldorf-Pempelfort
Schräg gegenüber diesem ‚Vertrauen erweckenden’ Lokal querte aus einer Toreinfahrt kommend ein Typ meinen Weg, der mich breit anlächelte und mit der sehr selbstsicher und deutlich laut hervorgebrachten Äußerung „Na, Du Fischkopp!“ konfrontierte und lachte. Der nordafrikanisch arabisch aussehende Kerl machte einen sehr kräftigen und schnellen Eindruck, so dass ich Überlegungen, von welchem Fisch ich der Kopf sein sollte und ob das unbedingt eine Beleidigung sein musste, nicht weiter nachhing und den Affront einfach mal ignorierte, obwohl ich für solche Fälle ein „Du umgekrempeltes Fasanenarschloch“ eigentlich reflexartig gespeichert habe.
argee gleim - 16. Apr, 18:39
Das Tiziano war schon immer da, und es wird wohl ewig dort bleiben. Ich kenne es seit ca. 1962, mein Schulweg von der Lennéstraße zum Leibniz-Gymnasium führte daran vorbei. Bis Mitte der sechziger Jahre war das Tiziano so eine richtige Eisdiele (vergleichbar mit dem Belluno auf der Helmholtzstraße). Auf der Annastraße - also links vorbei an der Front gab es ein kleines Verkaufsfenster, da gab's dann die Hörnchen mit ner Kugel für zehn Pfennig. Das Eis war ziemlich lecker, außerdem war das Tiziano weit und breit die einzige Eisdiele.
Irgendwann so um 1968 herum verwandelte sich der Laden stufenweise in ein Café. Er galt bald als Abschleppschuppen besonderer Art: Hier konnten Schulmädchen Kontakte zu Männern herstellen, die bereit waren, sie zu verwöhnen. Das lief anfangs ausgesprochen dezent ab, und nur wer eine Schwester oder Cousine im gefährdeten Alter hatte, wusste davon. Und dann wusste man auch, dass das Café nur noch "das Tiz" genannt wurde.
Außerdem entwickelte sich das Tiz zu Beginn der siebziger Jahre in eine Institution für Anhänger rauchbarer Kräuter. Tatsächlich war es in den Jahren 71 bis 74 eine ausgesprochen zuverlässige und preisgünstige Quellen. Da sich die Einrichtung nie geändert hatte, bliebt diese Funktion den Erwachsenen (und Spießern) verborgen.
In diesen wilden Jahren wechselten die Inhaber teilweise im Monatsrhythmus. Aber selbstgemachtes Eis gab es immer noch. Das Verkaufsfenster auf der Annastraße wurde erst so um 1982 abgeschafft - mein Sohn (Jahrgang 80) hat dort sein allererstes Hörnchen in Empfang genommen. Zwischendurch war der Laden immer mal geschlossen.
Irgendwann wurde das Tiz zum Treffpunkt der Migranten südosteuropäischer Herkunft. Wer mutig genug war, es zu betreten, konnte dort Vermittlungsdienste in Anspruch nehmen, bei denen es um Waren ging, die vom Lastwagen gefallen waren. So weit ich weiß, gab es in den Achtzigern auch die eine oder andere Razzia.
Das Tiz war (und ist) immer eine Enklave im Viertel gewesen, also kein Café, in das man mal so eben ging. Entweder man gehörte dazu - oder nicht. Das änderte sich erst (ein bisschen) als die Tische auf den Gehweg kamen. Das geschah beim Tiz relativ spät.
Man kann über diesen Laden sagen, was man will, aber aggressiv ging es dort nie ab - an Schlägereien oder ähnlich unangenehme Vorfälle kann ich mich nicht erinner. Ich muss aber auch zugeben, dass ich nichts über den aktuellen Zustand des Tiz weiß. Ich bin ja schon 2000 aus Pempelfort weggezogen.