Gänseblümchen
Je weiter eine Pflanze verbreitet ist und je bekannter sie ist, um so zahlreicher sind die Namen, die ihr der Volksmund gibt. So heißt unser Gänseblümchen, welches in fast ganz Europa häufig vorkommt auch Augenblümchen, Gänseliesl, Maiblume, Mairöserl, Mutterblümchen, Maßliebchen, Osterblume, Regenblume, Sonnentürchen und Tausendschön. Maiblume heißt aber auch unser Maiglöcklchen (Convallaria majalis), als Osterblume bezeichnen wir auch die Narzisse (Narcissus pseudonarcissus) und das Tausendschön ist für Viele eine kleine wilde Nelkenart, die zwar nicht hier heimisch aber in Gärten sehr verbreitet ist. Sie trägt ihren Namen, weil die sie in einer Fülle verschiedener Farben blüht. Da ist man doch dankbar, dass es einen definierten botanischen Namen gibt Bellis perennis (Bellis – der, die, das Schöne) (perennis – durch die Jahre [ausdauernd]). Die Engländer nennen sie schlicht Daisy, die Italiener Margheritina.
Wir finden sie vor allem auf unseren Rasenflächen, vor allem dort, wo diese nur alle paar Wochen gemäht werden, so z.B. besonders häufig und dicht wachsend auf jenen handtuchartigen Rasenstücken vor Häusern der Wohnbaugesellschaften, aber auch vor vielen Reihenhäusern und eben bei mir und dir. So gut wie jeder hat sie in seinem Garten. Neben dem breitblättrigen Wegerich ist sie der Schrecken der Golfplätze. Während sie uns eher erfreut als stört, würde sie den kleinen, weißen, runden Golfball ganz schön aus der Bahn werfen, wenn die Golfer nicht mit allen Mitteln gegen sie vorgehen würden. Ein regelmäßiger Schnitt des Grüns ist da nicht ausreichend.
Was befähigt das Gänseblümchen entgegen vielen anderen mindestens ebenso hübschen Blumen, das wiederholte Gemetzel der Rasenmäher zu überstehen?
Es sind vor allem die rosettenartig auf dem Boden liegenden Blätter, die von dem schärfsten Rasenmähermesser nicht erreicht werden. Die aus dieser bodennahen Rosette halb aufrecht wachsenden, inneren Blätter werden schon mal gekappt. Das hält die Pflanze aus. Außerdem ist so eine Pflanze, obwohl sie nicht den Anflug eines Gehirns besitzt, bedingt lernfähig. Wird eine Pflanze immer wieder in der gleichen Weise gestört, so ändert sie ihr Wachsverhalten. Die halb aufrecht wachsenden, inneren Blätter wachsen bald ebenfalls flach und bodennah. Diese ‚Lernfähigkeit‘ machen sich ökologisch orientierte Gärtner, die chemische Stauchemittel nicht anwenden wollen, zu Nutze. Sie konstruieren vor allem im Zimmerpflanzenanbau Vorrichtungen, die sanfte Bürsten oder Lappen so über Pflanzenkulturen streifen lassen, dass diese immer wieder gestört werden. So wachsen diese weniger in die Höhe und mehr in die Breite. Damit erreicht der ökologische Gärtner das Gleiche wie sein Chemie anwendender Kollege, eine gedrungene Pflanze, die auf die Fensterbank passt.
Es kann auch sein, dass sich in unseren Gärten inzwischen, es dürfte mittlerweile fast 100 Jahre Rasenmäherterror geben, durch simple Selektion eine Gänseblümchenrasse herausgebildet hat, die von sich aus besonders bodenflache Blattrosetten ausbildet. Bei einer solchen Vielzahl von Generationen könnte sich durchaus eine genetische Angleichung an die menschengemachten Verhältnisse stattgefunden haben.
Wir sind immer noch bei der Frage, wieso das Gänseblümchen es schafft, sich auf unseren Rasenflächen so breit zu machen. Zu beobachten ist, dass Gänseblümchen es schaffen, Graspflanzen zu verdrängen. Das ist insofern erstaunlich, als die Wuchsfreudigkeit von Gras der des Gänseblümchens überlegen ist. So weit ist die Aussage gesichert. Was jetzt kommt ist eine Vermutung, zu der ich keinerlei wissenschaftlich gesichertes Material finde.
Man weiß von anderen Pflanzen, dass sie ihren Platz dadurch verteidigen oder bereiten, dass sie wenn ihre Wuchsfreude nicht ausreicht, die Konkurrenten dadurch zu eliminieren, dass sie ihnen durch üppiges, hohes Laub das Licht für die Photosynthese nehmen und Wasser und Nahrung verknappen, indem sie zu geradezu subversiven Mitteln greifen. Sie geben chemische Stoffe in den Boden ab, welche für den Nachbarn schwer bis überhaupt nicht verträglich sind. Da kann die Aufnahme von notwendigen Nährstoffen gestört werden, oder aber es kommt schlicht zu Vergiftungen oder aber man lockt den Hauptfraßfeind des Konkurrenten an. Eine solche chemische Kampfführung vermute ich auch bei klein Daisy, unserem so unschuldig aussehenden Gänseblümchen.
Die verschiedensten Inhaltsstoffe wie Gerbstoffe, Bitterstoffe, Schleime, Saponine, ätherische Öle, Flavonoide und Anthoxanthin machen sie auch für die Volksmedizin interessant. In der Naturheilkunde wird sie als Schmerz- und Wundheilmittel bei Schürfwunden, Prellungen, Verstauchungen, Muskelschmerzen und allgemein bei Hautleiden eingesetzt. Ferner soll sie den Stoffwechsel anregen und wird daher bei Gicht und Rheuma eingesetzt. Von da ist es nicht weit zu unseren aktuell die Gesundheit und die Natur im Auge habenden ‚Iss Deine Wiese und Du bleibst gesund‘-Vertretern und -Vertreterinnen. Die Knospen kann man als falsche Kapern einlegen. Wer weiß, wie man Kapern einlegt? Die Blüten sollen einen herzhaften Geschmack haben und sich hervorragend als Butterbrotbelag eignen. Blüten und Blätter sollen in keinem Salat fehlen. Löwenzahnsalat mit Gänseblümchen und ein paar klein gehächselte, oder heißt es gehexelte, Bärlauchblätter als Würze. Na?!
Ist unser Gänseblümchen jetzt gefährdet? Wird es jetzt von uns einfach aufgefressen? Wohl kaum. Die Vorgärten liegen zu nahe an der Straße und damit im Bereich der Autoabgase. Wenn wir beim Sammeln von Gänseblümchen in unserem Vorgarten auch kaum Gefahr laufen, uns wie beim Sammeln von Bärlauch, dem Naturhit der letzten Jahre, den Fuchsbandwurm zu holen, so dürfte der Besuch Beinchen hebender Hunde aus der Nachbarschaft uns zusätzlich den Appetit verderben. Unser Gänseblümchen bleibt ungefährtdet. Da müsste schon eine Schar Gänse kommen. Diese haben die Blümchen, die ihren Namen führen, nämlich zum Fressen gern. Hühner tun’s auch. Gänse im Vorgarten, wo wir diese doch vor allem aus der Tiefkühltruhe kennen, der frühe Schrei des Hahns ohne Mist? Geht nicht, nicht wahr? Unser Gänseblümchen bleibt uns somit erhalten und blüht und blüht und blüht quasi das ganze Jahr. Nur wenn es friert, legt die Schöne ein Päuschen ein.
Aber im Urlaub auf der unschuldigen Alm mit den glücklichen Kühen, da können wir mal probieren, wie das ist mit Gänseblümchenblüten auf der Salzbrezel. Auch bleibt, so lange die hierfür vor allem verwendete Margerite noch nicht blüht, das blütenmordende Spielchen "Er liebt mich, er liebt mich nicht", wobei so lange genüsslich ein Blütenblatt nach dem anderen ausgerissen wird, bis keines mehr vorhanden ist. Weit mehr Blüten braucht es für die hübschen Kränze, die man dergestalt pflicht, dass man mit spitzem Fingernagel einen Schlitz in den dünnen Blütenstiel macht, durch welchen dann der Blütenstiel der nächsten Gänseblume gesteckt wird usw, usw. Vielleicht macht das gesunde Fingernägel? Wer weiß?
knurps - 11. Jul, 09:19
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