Der Mensch ist böse – ist gut

Peter Scholl-Latour wird soeben im Fernsehen gezeigt, wie er den Satz „Der Mensch ist von Grund auf böse“ von sich gibt. Damit steht er diametral meiner Auffassung entgegen. Der Mensch ist gut, was nichts anderes bedeutet als, dass der Mensch angepasst ist. Der Mensch will seine Ruhe haben, seine Bewegungsfreiheit haben, sein Auskommen haben. Es ist nicht so schwer einzusehen, dass das für alle gilt und deshalb jedem anderen ebenso zugestanden werden muss, will man selbst seine Ruhe haben.

Jetzt ergibt es sich, dass die Anzahl der Menschen ein Mehrfaches dessen beträgt, was die Erde zu tragen imstande ist. So erklärt sich, dass es selbst bei Gutwilligen zu Reibungen kommt. Aber auch da bemüht man sich, den Anderen zu achten und sich zu bescheiden. Nicht immer gelingt das. Dann kommt es schon mal zu einem Eklat und so Menschen wie Scholl-Latour sprechen vom grundsätzlich bösen Menschen.

Es ist evident, dass die meisten Völker gut miteinander auskämen, gäbe es da nicht die Regierungen. Auf der Ebene verändert sich die Situation entscheidend. Politiker und andere herausgehobene Menschen verlieren Wesentliches ihres Menschseins und werden zu Räubern. Eitelkeit hat sie in die Ämter getrieben und Eitelkeit lässt sie zu Bestien werden. Das ist gekoppelt mit der Aussage und manchmal auch dem eigenen Gauben, etwas Gutes für die Allgemeinheit zu tun.

Nur Wenige haben die Größe, Ämter zu bekleiden und mit der damit verbundenen Macht umzugehen. Politiker und andere Amtsträger und herausgehobenen Menschen haben keinen Macht-Führerschein gemacht. Den gibt es. Die Geschichte der Menschheit hat ihn in Büchern und Erzählungen festgehalten.

Doch anstatt sich in Weisheit zu üben, agieren diese Menschen im Sinne dessen, was sie Karriere nennen. Armselig.

‚Gut’ ist verwandt mit dem Wort Gitter oder Gatte. Gut ist also die Einsicht in Begrenztheit. Wer behauptet, der Mensch sei von Grund auf böse, sorgt dafür, dass im Verlaufe einer self-fulfilling prophecy der Mensch böse wird. Das hat dann Scholl-Latour mit den Kirchen gemeinsam. Diese behaupten das Gleiche. Das um ihre Existenzberechtigung zu belegen. So sieht das Übel in Wirklichkeit aus.
neo-bazi - 1. Dez, 00:41

Diese Philosophie ist mir zu einfach. In jedem von uns wohnen Götter und Dämonen, sitzt das Gute wie das Böse.

Das ist jedenfalls meine Vermutung. Gut ist mehr als die Einsicht in Begrenztheit. Auch ein Marc Aurel hat Kriege geführt. Ein wenig seiner Selbstbetrachtungen stünde uns allen nicht schlecht:

„So oft du an der Unverschämtheit jemandes Anstoß nimmst, frage dich sogleich: Ist es auch möglich, daß es in der Welt keine unverschämten Leute gibt? Das ist nicht möglich. Verlange also nicht das Unmögliche.“ (IX, 42)

knurps - 1. Dez, 07:09

Ja, so belassen ist das zu einfach. Es geht mir hier um eine Grundeinstellung und ich wehre mich dagegen, den Menschen kategorisch als von Grund auf schlecht zu betrachten. Ich habe auch keine Lust, die Konsequenz aus einem solchen negativen Urteil zu ziehen und zu erleiden.
Ich brauche keinen Erlöser.

Ich habe gesagt, der Mensch ist gut. Ich habe nicht gesagt, der Mensch sei altruistisch.
nömix - 1. Dez, 08:50

Aber der Mensch ist altruistisch. Muss er ja sein. Altruismus ist die Grundvoraussetzung für jegliches halbwegs funktionierende Sozialsystem.
(ist das nicht eine bissel zu romantische Betrachtungsweise, der Mensch wäre a priori gut? Oder macht es ihn nicht eher zum Menschen, dass er sich – gegen seine ursprüngliche menschliche Natur – zum Gutsein erst zu entscheiden hat. Wie es Seneca sieht, "Welch ärmliches Geschöpf wäre der Mensch doch, würde er sich nicht über das Menschliche erheben.")
knurps - 1. Dez, 12:42

Ich bitte zu beachten, was gut bedeutet.
Wäre er grundsätzlich böse, würde er sich auslöschen. Es gäbe keinen Nachbarn, es gäbe keine Gruppe, es gäbe keine Vereinbarungen.

Ich bitte, das Wort 'grundsätzlich' zu beachten.
blogger.de:cut - 1. Dez, 10:59

Oder ist der Mensch neutral?

"1. Der Mensch ist ein arbeitendes Wesen. 2. Der Mensch ist in einer durch die Tatsache der Arbeit bestimmten Weise ein auf den Mitmenschen notwendig bezogenes, also soziales (vergesellschaftetes) Wesen. 3. Der Mensch ist ein gleichzeitig ichbezogenes (individuelles) und sozialbezogens (vergesellschaftetes) Wesen. Er ist ein widerspruchsvolles Wesen. 4. Die Arbeit und in weiterem Sinne alle Tätigkeit des Menschen äußert sich in gegenständlichen oder geistigen Erzeugnissen; der Mensch 'entäußert' sich in ihnen kraft seiner Fähigkeit zu arbeiten. 5. Im Zusammenhang mit der Tatsache der 'Entäußerung' in der Arbeit ergibt der Widerspruch zwischen der Ich- und der Sozialbezogenheit der Menschen das dialektische Vermögen, im konkreten historischen Raume in Übereinstimmung miteinander oder im Gegensatz zueinander zu treten, was die 'anthropologische' Voraussetzung für die grundsätzliche Möglichkeit der historischen Herausbildung antagonistischer (klassengespaltener) oder harmonistischer Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet. Aber nur unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen wird aus dieser Möglichkeit konkrete Wirklichkeit in den diesen Bedingungen entsprechenden vielfältigen Formen. [Man achte hier auf den Unterschied zwischen Voraussetzung und Bedingung!; GB] 6. Der Mensch verwirklicht sich nur im geschichtlich-gesellschaftlichen Raume, so dass seine bisher aufgezählten wichtigsten 'anthropologischen' Merkmale, obgleich sie die unaufhebbare Voraussetzung aller menschlichen Existenz bilden, ihrerseits ständig im geschichtlichen Prozess hervorgebracht werden müssen. Eine 'reine' anthropologische Existenz des Menschen unabhängig von seinem geschichtlichen Sein ist daher für den dialektischen Begriff eine nicht durchführbare Vorstellung."

Zitat aus: Günter Brakelmann Anthropologie und Humanismus bei Kofler. Eine Darstellung (2001)

knurps - 1. Dez, 12:58

Der Mensch ist ein mit dem Gebrauch von Worten begabtes Wesen. Mit diesen Worten baut er ganze Welten, auf die man sich einigen kann oder nicht. Viele dieser Welten existieren nur in der Vorstellung, die mit Worten gebaut wurden.

Was hat das mit gut und böse zu tun? Na ja, er kann versuchen gut und böse zu definieren. So kann in verschiedenen Kulturkreisen die Vorstellung von gut und böse divergieren.

Wären wir grundsätzlich böse, würden wir hier nicht einmal solche Gedanken austauschen.

So allgemein vom 'Menschen' zu sprechen, zwang mich lediglich die Aussage von Scholl-Latour. Was dem Menschen unabhängig von der Kultur, in der er aufgewachsen ist und lebt, gemeinsam ist, ist ein eigener Forschungszweig und wieder nur eine Vorstellung. Insofern ist es fragwürdig so allgemein vom 'Menschen' zu sprechen.

Ich bleibe dabei, dass ich weiter damit komme, den Menschen erst einmal für gut und einsichtig zu halten. Das führt wirklich weiter. Wie verstrickt er in Umstände, Theorien, Erlebtes ist, das ist dann so eine Art 'Realität'.
argee gleim - 1. Dez, 15:39

Es ist natürlich Blödsinn, Sätze zu bilden, die mit "Der Mensch ist---" beginnen.
Sorry, ich habe mich da von Scholl-Latour verleiten lassen. Mea culpa.

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