Als ich jung war...

Als ich jung war, war ich bemüht, alles, was ich sah oder erlebte, in übergeordnete Kategorien zu packen, für die ich dann eine Allgemeingültigkeit postulierte. Es wimmelte also von -ismen, -täten, -keiten, -ungen, -nissen etc, obwohl mir hätte auffallen müssen, dass ich nicht in der Lage war, in der Straßenbahn auf dem scheinbar immer gleichen Weg eine Zeitung oder ein Buch zu lesen, da der Weg immer so interessant war, dass ich nichts verpassen wollte. Irgendwo musste die Weltformel ruhen, das große Eine, das alles beschrieb, alle Wissenschaft vereinte, auch wenn es vorerst nicht erkannt werden konnte.

Dann kam in den 60er Jahren die Soziologie dieser Zeit in mein Blickfeld, die mit solchen Kategorien nur um sich schmiss, so dass sogar mir auffiel, dass da etwas nicht stimmen konnte. In den 70ern traf ich dann reihenweise auf die Opfer solcher Verallgemeinerungen. Progressive Vertreter der Zeit versuchten sich in Psychiatrie und Anti-Psychiatrie und das Wortgeläute marterte die Gehirne.

Heute sehe ich ein und die selbe Sache unter verschiedenen Blickwinkeln und in unterschiedlichem Licht und jedes mal gewinnt das Gesehene einen neuen Aspekt. Die Welt wird größer ohne dass ein Zweifel an ihr besteht. Das Alltägliche ist nicht alltäglich.
4711 - 8. Dez, 14:59

das stimmt, nur die eigene standortbestimmung wird dadurch nicht leichter.
gut, wer sagt das diese leicht sein muß.
die vielen aspekte ein und derselben sache stimmen mich häufig milder als ich eigentlich sein sollte.
ohne frage - durch diese betrachtungsweise öffnen sich in erster linie immer neue vorhänge mit neuen bühnen.
doch das erkennen und zulassen verschiedener sichtweisen ein und derselben situation oder was auch immer führt, und das glaube ich, eben auch zu einer art der egalisierung der eigenen position.
mir fällt es zunehmend schwerer eindeutig diese zu beziehen und auch dadurch angemessen zu handeln.

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