Was sagen wir eigentlich, wenn wir uns unterhalten? Es ist doch so, dass unser Hirn ein Vielfaches dessen, was dann unseren Mund verlässt, abrastert. Wir selektieren also. Ein Kriterium wird sein, dass wir wollen, dass unser Gesprächspartner versteht, was wir sagen. Unser Hirn berücksichtigt also gleichzeitig noch eine Vermutung über das, was das Hirn unseres Gegenübers abrastert. Das wird umso treffender sein, je besser wir unser Gegenüber kennen. Nachteil dabei ist, dass sich eine Automatik einstellt und Neues weniger in Betracht kommt. Wir verstehen uns, aber das Glücksgefühl der Übereinstimmung mag fade sein.
Das Bemühen, sich verständlich auszudrücken, oder gar das Bemühen, eine Übereinstimmung erleben zu können, das Bemühen um eine Harmonie, ist es kontraproduktiv? Zu oft gelingt es uns, eine Übereinstimmung zu erzielen. Uns gelingt ein Kompromiss. Die Worte, die wir finden, werden mehr und mehr so gewählt, dass sie weniger unseren Vorstellungen sondern eher einem Harmoniebedürfnis - oder soll ich einer Harmoniediktatur sagen? – folgen. Folgen ist hier das rechte Wort. Das anfängliche Auseinandersetzen, das zumindest noch versuchte, eine Auffassung zu definieren, einen Gedanken, so wie er uns überfallen hat, zu äußern und so Landmarken neu zu setzen, zermürbt sich in Undeutlichkeiten, die frisch eingeschlagenen Pflöcke zerschwimmen wie das sich in einem bewegten Wasser spiegelnde Abbild dunkler Äste eines am Ufer stehenden Baumes oder werden wie Orte markierende Zeichen im niederrheinischen Nebel unsichtbar. Dabei wollten wir doch Zeichen setzen, Entdeckungen - auch halbgare - unseres unermüdlichen Forscherdrangs zur Diskussion stellen.
Man geht oberflächlich zufrieden aber im Eigentlichen mit sich selbst zornig auseinander. Die letzten Worte, der Abschiedskuss hat den Geschmack einer zwar tradierten aber auch leeren Geste.
Mir stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was unser Handeln bestimmt. Mag Handeln in grauer Vorzeit vorzüglich eine Reaktion auf äußere Einflüsse gewesen sein, so kann man fragen, ob das noch festzustellen ist in einer Zeit, zu der wir sesshaft geworden sind, die Berührung mit immer mehr Menschen und eben nicht vor allem wilden Tieren, das Erlangen einer differenzierten Sprache und der Schrift. Die Interdependenz von, der Dialog zwischen Bedürfnissen und Sprache erscheint verschwommen. Jetzt können wir fragen, was zuerst da sei, das Wort oder das Wollen. Wie wird unser Handeln bestimmt? Spielt somit diese Unsicherheit hinein in den Gebrauch von Sprache? Wir wissen um die Möglichkeit, mit Sprache zu manipulieren, Zusammenhänge falsch darzustellen, Meinung zu machen. Solches führt zu unangebrachtem Handeln. Hier ist das Wort in der Tat das auslösende Moment. Es scheint, das Wort hat uns im Griff und wer das Wort im Griff hat, bestimmt das Handeln. So arbeiten wir uns nahezu permanent daran ab, etwas, was vorteilhaft für uns aber unvorteilhaft für Andere ist, so darzustellen, dass der Eindruck entsteht, dass es für den Anderen wenn nicht gar für alle von Vorteil sei.
Wie vieler Worte hat es gebraucht, um Bruno den Bären, abzuschießen, wie viel Worte werden bemüht, um eine heile-unheile Welt gegen den jungen Mann, der in seine alte Schule ging, wahllos Menschen verletzte und sich selbst umbrachte,
abzugrenzen. Der junge Mann hat etwas mitzuteilen gehabt und es auch für viele, viele andere vor allem jüngere Mitmenschen sehr verständlich formuliert. Das aber wird wortreich unter den Teppich gekehrt. Es ist nicht so, dass ich das Handeln des jungen Mannes für praktikabel halte, ich meine aber, dass das, was sein Handeln für ihn selbst sinnvoll erscheinen lässt, es wert ist, wahrgenommen zu werden. Ich finde schon, dass so was einen Pflock in unsere zerfaserte Wahrnehmung setzt, um den es sich zu kümmern lohnt.